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Was mir Bauern helfen Bauern bedeutet
Vielleicht etwas überraschend für den Sohn eines in Kroatien aufgewachsenen und mit der Geschichte dieses Landes eng verbundenen Mannes: Die Krise Jugoslawiens ab 1989 habe ich versucht zu ignorieren. Schon der titoistische Vielvölkerstaat samt gehyptem „Drittem Weg“ und „Blockfreiheit“ war mir immer verlogen und unsympathisch erschienen, wie dann auch die ins Extreme wachsenden Nationalismen der verschiedenen Volksgruppen Jugoslawiens.
Auch hatte ich recht viel zu tun und war beruflich auf dem Weg nach Nordamerika, als die Katastrophe des Krieges über Kroatien und Bosnien-Herzegowina hereinbrach. Erst gut zwei Jahre später kehrte ich aus Kanada nach Europa zurück. Mein Vater war damals schon in das erste kroatische Parlament gewählt worden. Aber nicht er war es, mit all seinem politischen Engagement und patriotischem Pathos, der mir einen Zugang zu meinen künftigen Landsleuten erschloss. Es war meine dynamische Cousine Doraja und ihr an den kroatischen Fronten tätiges Hilfswerk „Bauern helfen Bauern“.
Dass man das politische Denken ganz abschalten kann, um sich darauf zu konzentrieren, was ein einzelner Mensch, eine einzelne Familie jetzt gerade braucht, davon haben mich Doraja und ihre wachsende Gruppe von Mitstreitern überzeugt. Ebenso überzeugend fand ich den Ansatz, den Menschen aus bäuerlichen – also in der Regel armen – Regionen gezielt das Verbleiben und die Rückkehr in ihre vom Bürgerkrieg devastierten Anwesen zu ermöglichen. Ganz Kroatien war damals voller Flüchtlingslager, in denen Vertriebene, von Tag zu Tag mehr entwurzelt, über ihre Zukunft nachdachten. Allzu oft war diese erhoffte Zukunft nicht die Rückkehr nach Hause, sondern der Weiterzug: ins Ausland oder bestenfalls in die heimischen Großstädte, wo damals ja die Masse der Unterstützung und Hilfsgüter ankam.
Die Unterstützung von „Bauern helfen Bauern“ hingegen kam in den Dörfern und Randgebieten des Landes an. Sehr bald konzentrierte sie sich auf das erste und wichtigste Grundbedürfnis des Menschen: Ein Dach über dem Kopf. Ein eigenes Dach, wie klein auch immer, ist die Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. Es brauchte in Kroatien, später in Bosnien-Herzegowina, freilich sehr viele solche Dächer. Die geniale „Erfindung“ des BhB-Hauses machte es erst möglich, tausenden Menschen zu helfen. Allen ganz individuell. Ein unerhört wirkungsvoller Paradigmenwechsel, viel bestaunt und gepriesen, leider viel zu wenig nachgemacht.
Dorajas Hilfswerk ist im katholischen Glauben verwurzelt, der es mit den Kroaten eng verbindet. Und dennoch ist es nie dabei stehengeblieben, nur Kroaten zu helfen. Den Menschen wurde geholfen, wo es nötig und möglich war, und so blühte BhB insbesondere auch im kriegszerstörten Bosnien-Herzegowina. Wenn man Doraja und das Team von BhB in Aktion sieht, wird deutlich: Hier werden nicht nur Häuser hingestellt, sondern Menschen wird geholfen, unmittelbar, liebevoll, persönlich.
Bedürftigen ohne Ansehen ihrer Herkunft zu helfen, zählt seit mehr als 900 Jahren auch zum Selbstverständnis des Malteser Ordens. Als bei Petrinja Ende 2020 die Erde bebte und Tausende ihr Heim verloren, da waren auch die Malteser in Kroatien gefordert. Mit Doraja habe ich am Tag nach dem Erdbeben telefoniert. Wir waren uns schnell einig, alle unsere Kräfte zu bündeln und betroffenen Bauern im Umland Petrinjas schnell ein echtes Dach über dem Kopf zu geben. Ausgerechnet bei Petrinja waren nach 1992 die ersten BhB-Häuschen entstanden. Viele stehen noch. Das Erdbeben vermochte ihnen nichts anzuhaben. Inzwischen konnten mehr als 100 neue BhB-„Häuser der Hoffnung“ ihren Eigentümern übergeben werden, die auf staatliche Hilfe noch länger werden warten müssen.
GEORG ELTZ-VUKOVAR
Er pendelt zwischen Wien und Zagreb und lässt Titel gern beiseite, die seiner Familie und auch den Diplomkaufmann. Der Mitgründer und langjährige Chairman der Valamar Holding, ein touristischer Leitbetrieb in Kroatien, hat mit Bauern helfen Bauern seine kroatischen Wurzeln wiederentdeckt. Nicht zuletzt als Präsident der „Udruga Malteser Hrvatska“.