Eine Reise nach Srebrenica – einem Ort, der lange zum Nachdenken anregt
Da ich in letzter Zeit viel darüber nachgedacht habe, wie gut es uns in der westlichen Welt geht, wie viele Orte es jedoch gibt, wo Menschen dringend Unterstützung benötigen, habe ich beschlossen, selbst tätig zu werden. Als ich die Möglichkeit bekam, mich einer Gruppe von Auszubildenden bei Hilti zum Häuser bauen in Srebrenica anzuschließen, war ich sehr gespannt was mich erwartet.
Zunächst wurde ich sehr herzlich von Bea, verantwortlich für die großartige Organisation seitens der Hilti Foundation, den Ausbildungsbetreuern und den Lehrlingen aufgenommen. Ich freue mich immer noch über all die interessanten Gespräche, die wir abends geführt haben, auch zusammen mit Namir, verantwortlich für BHB vor Ort, der mir dadurch viele wichtige Einblicke geben konnte.
Bereits bei der Ankunft in Srebrenica wird deutlich, dass dieser Ort in Bosnien und Herzegowina eine eigene Geschichte zu erzählen hat. Auch über 20 Jahre nach dem Krieg zeigen die Häuser unverändert deutliche Einschusslöcher, manche Häuser wurden nie wieder bezogen und verfallen. Umso wichtiger scheint es nun, den Menschen hier zu helfen, sich ein sicheres Dach über dem Kopf zu schaffen.
Bevor es los geht besichtigen auch wir in der Gruppe das Memorial Center. Der Besuch hilft allen zu verstehen, was hier geschehen ist. In den selben Hallen zu stehen wie die verzweifelten Menschen damals und die nicht enden wollenden Grabsteine machen bewusst, welchen Albtraum die Menschen hier während des gesamten Kriegs und konkret während des Genozids durchlebt haben.
Besonders berührt hat mich die Geschichte eines Zeitzeugens, der nie wirklich die Möglichkeit hatte, die erlebte Flucht nach Tuzla zu verarbeiten und dessen größter Wunsch es ist, dass die Menschen aus ihren Fehlern lernen. Ich beschließe genau das mitzunehmen, davon zu berichten und ein Bewusstsein in meinem Bekanntenkreis dafür zu schaffen, dass so etwas an keinem Ort je wieder passieren darf.
Auf der Baustelle angekommen lernen wir den zukünftigen Hausbesitzer Milos sowie unser 3-köpfiges bosnisches Bauteam kennen und es geht sofort los. Unter Anleitung des routinierten Teams kann sich jeder, egal ob alt oder jung, weiblich oder männlich, dort einbringen, wo er es sich am besten zutraut – beim Nageln der Außenwände oder im Innenbereich, beim Dachdecken, Sägen oder Isolieren – auf der Baustelle ist alles möglich. Das gibt mir und der Gruppe ein gutes Gefühl, jeder ist ein wichtiger Teil und gibt alles.
Die gemeinsamen Pausen sind schön, um sich etwas besser kennen zu lernen und einen kleinen Einblick in die Kultur vor Ort zu bekommen – trotz Sprachbarriere wird gescherzt, das ein oder andere Pivo getrunken oder selbstgemachter Honig probiert.
Das Wetter spielt mit, die Stimmung ist super und wir können die Bauarbeiten bereits am Donnerstag abschließen. In einem für alle sehr emotionalen und schönen Moment übergeben wir Milos und seiner Frau am Freitag die Schlüssel. Ich wünsche den beiden von Herzen, dass sie hier einen Ort finden, an dem sie sich friedlich zur Ruhe setzen können.
Ein weiteres Highlight ist der Besuch der Musikschule in Srebrenica. In einer Stadt mit einem Mix aus Ethnien und dieser Geschichte ist es ein bewundernswertes Projekt und eine starke Idee, durch gemeinsames musizieren Grenzen zu überwinden und den Kindern zu vermitteln, dass alle gleich sind. Beim Auftritt eines Mädchenchors sind wir alle gerührt und ich bewundere die Arbeit der Betreuer vor Ort zu tiefst.
Mein Fazit: Diese Reise braucht länger bis man sie verdaut hat. Obwohl Bosnien und Herzegowina quasi mitten in Europa liegt, ist heutzutage kaum jemandem mehr bewusst, was dort geschehen ist und das ist schade, sowohl für die Menschen vor Ort als auch für zukünftige Entwicklungen. Deshalb finde ich es wichtig, das Bewusstsein mitzunehmen und darauf aufmerksam zu machen, so können auch wir, die als Gäste vor Ort waren, noch einen Beitrag leisten.
Allen zukünftigen Besuchern wünsche ich eine ebenfalls unvergessliche Reise, die langfristig zum Nachdenken anregt. Grüßt mir auch die kleine rote Katze vor der Pension Misirlije, denn jeder in Srebrenica kann etwas Liebe gut gebrauchen.
Vielen Dank für diese wertvolle Erfahrung!
Stephanie Gabler