Ein wunderbares Gefühl
Ich habe Srebrenica nicht im Rahmen eines Hausbauprojektes besucht. Meine Reise am 02.10.2017 dorthin diente mehr dazu mir einen Einblick in die Projekte von BHB und die Geschichte Srebrenicas zu gewähren. Dies bedeutete für mich Besuche bei BHB-Baustellen, Familien, welche bereits in einem jener Häuser wohnten und des Musikhauses. Darüber hinaus war ich der letzte meiner Familie, der diese Reise antrat.
Ich hatte das besondere Glück von Landolf und Doraja unter ihre Fittiche genommen zu werden. Wer, wenn nicht sie, hätten mir die BHB-Projekte und die Stadt in einer solchen Ausführlichkeit und Exklusivität zeigen können.
Nach einer zweistündigen Fahrt vom Flughafen Sarajevo kehrten wir in die allseits bekannte Pansion Misirlije ein. Wir wurden mit unglaublicher Gastfreundschaft und familiärer Begrüßung empfangen. Beim Abendessen konnte ich die aktuelle Bau-Gruppe (Hilti) kennenlernen, die gerade an einem Haus baute.
Am nächsten Tag früh morgens nahm mich Doraja mit zum Memorial in Potočari. Dies besteht aus dem Stützpunkt der früher dort stationierten holländischen Blauhelmsoldaten (Dutchbat) einerseits und dem Friedhof für die Opfer des Massakers andererseits. An diesem Morgen besuchte ich die Ausstellung im alten Stützpunkt. Da ich von Doraja begleitet wurde, konnten wir ganz allein durch die Hallen und die Ausstellung gehen. Die Ausstellung machte mich sehr betroffen, da ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie mit der Grausamkeit der Taten und den Schicksalen Einzelner in Berührung gekommen war.
Besonders traf mich das Film-Interview einer Frau, die erzählte wie sie die Trennung von ihrem jungen Sohn durch die serbisch-bosnischen Soldaten erlebte.
Im Anschluss besuchten wir eine Familie, die in einem BHB-Haus lebt. Dies war der Moment, in dem ich die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen dort erlebte. Wir sahen uns das Haus an und wurden mit Speis und Trank versorgt. Dass diese Menschen, die selbst so wenig haben, für uns ein Festmahl zubereiteten, rührte mich sehr. Auch war es das erste Mal, dass ich ein fertiges BHB-Haus zu Gesicht bekam.
Als nächstes stand ein Besuch auf der Baustelle eines neuen BHB-Hauses an. Das fand ich sehr schön, weil mir dadurch ein guter Eindruck in den Bauprozess und die einmalige Zusammenarbeit zwischen heimischen und fremden Personen mit demselben Ziel geboten wurde.
Von der Baustelle ging es zur ersten und einzigen Musikschule in Srebrenica (gebaut und gefördert von BHB). Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern hatten dort ein Konzert vorbereitet. Beim ersten gesungenen Lied („Wonderful World“ von Louis Armstrong) musste ich an all die Grausamkeiten und meinen Besuch im Memorial denken und konnte nicht verhindern, dass mir kurz die Tränen kamen.
Auch hinsichtlich der ethnischen Vielfältigkeit, die in der Schule herrscht und die zeigt, dass ein Leben losgelöst von religiösen oder nationalen Differenzen problemlos möglich ist, war die Zeit dort außerordentlich schön.
Nach dem Konzert besuchten wir noch eine junge Familie in ihrem neuen Zuhause. Auch hier traf man wieder auf eine unglaubliche Gastfreundschaft.
Der darauffolgende Tag begann für mich mit einer Fahrt zum anderen Teil des Memorials, dem Friedhof der Opfer des Genozids von Srebrenica. Die Grabsteine, die alle einfach aber gleich sind, symbolisieren wunderschön den Kampf gegen Diskriminierung jeglicher Art.
Danach ging es erneut zur aktuellen Baustelle. Das Haus dort war nun beinahe fertig.
Bei einer weiteren Baustelle musste nur noch das Dach gedeckt werden. Bei der betroffenen Familie drehte sich bereits ein geschlachtetes Lamm am Spieß. Auch wenn das ein Festmahl ist und Dankbarkeit ausdrücken soll, war ich, als Vegetarier, nicht ganz unglücklich darüber, vor dem Verzehr weiterzuziehen.
Wir fuhren zu einem weiteren fertigen und bereits bezogenen Haus, bevor die Fahrt zurück nach Sarajevo anstand. Der letzte Besuch war bei einem Mann in Konjevic Polje, der mit seiner Familie und mit Hilfe von BHB Unglaubliches geleistet hat und mir deswegen besonders in Erinnerung geblieben ist. Zu Beginn hatte er nichts und bekam von BHB ein Haus, ein Gewächshaus und einen Traktor. Daraufhin erlernte er durch bloße Eigenrecherche das Gärtnern und ging dieser Tätigkeit nach. Das war der Beginn. Nun besitzt er Gewächshäuser im zweistelligen Bereich und produziert im Jahr zwischen 90 und 120 Tonnen Gemüse. Wenn das nicht eine Erfolgsgeschichte ist, wie sie im Buche steht.
Nach diesem beeindruckenden Besuch ging es zurück nach Sarajevo, um am letzten Abend meiner Reise die Hauptstadt zu Gesicht zu bekommen. Sarajevo hat mir sehr gefallen. Es ist der Ort, wo die religiösen und ethnischen Differenzen beiseite gelegt werden und ein friedliches Zusammenleben zwischen Muslimen, Christen und Orthodoxen funktioniert. Und das sogar besser, als in manchen westlichen, liberalen Hauptstädten. Ein längerer Aufenthalt in Sarajevo steht für die Zukunft ganz oben auf meiner Liste.
Den letzten Tag schloss ich mit einem Besuch in einem Museum mit dem Namen „Crimes against Humanity and Genocide“ im Bosnienkrieg ab. Es hat für mich die schrecklichen Taten und die Personen, die sie begangen haben, zusammengefasst und war ein bedrückender, aber auch guter Abschluss meiner Reise.
Ich hatte während meines gesamten Aufenthalts das Gefühl, allein aufgrund des BHB-Logos auf meinem Pullover, gut in Srebrenica aufgehoben zu sein. Ich konnte die positiven Gefühle, die die Menschen dort mit diesem Logo seit über zwei Jahrzehnten verbinden, ganz klar spüren. Häufig sah ich ein Lächeln und ein Winken, wenn ich mit BHB unterwegs war. Dies spiegelt gut wieder, was BHB den Menschen dort gegeben hat. Es war für mich ein wunderbares Gefühl während meines Aufenthalts, Teil dieser Beziehung zu sein. Schon auf der Rückreise war klar, dies war nicht mein letzter Besuch in Srebrenica.
Vielen Dank an Doraja, Landolf und Namir für das Ermöglichen dieser Reise und die einmalige Erfahrung.
Nico Arp