Die Zusammenarbeit mit BhB war ein Wendepunkt für die Menschen.
In den Dörfern am linken Ufer der Sana organisierten sich Anfang 2000 im Winter die ersten Rückkehrergemeinschaften. In den sogenannten „Zeltsiedlungen“ waren die Menschen dem harten Winterwetter ausgesetzt, denn in den Dörfern gab es kein einziges Haus oder Gebäude mit Dach mehr.
Mein Cousin Sead Jakupović war zu jener Zeit Leiter der Stiftung „Prijedor 98“ und sandte einen dringenden Hilferuf an internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen. Bauern helfen Bauern und Doraja Eberle waren die ersten, die reagierten und unter den schwierigen Bedingungen die dringend benötigte, humanitäre Hilfe in Form von Lebensmitteln und Kleidung an die Rückkehrer lieferten.
Nach 20 Jahren können wir klar sagen – das war ein Wendepunkt für die Menschen. Sie konnten in Prijedor bleiben, in ihren Häusern und Dörfern. Gleichzeitig war es ein Signal an die internationale Gemeinschaft, Risiken einzugehen und den Rückkehrergemeinschaften im ganzen Land besser organisierte Unterstützung anzubieten.
Mein Kontakt mit Bauern helfen Bauern – Salzburg kam im Jahr 2002 über meinen Cousin Sead zustande. Sead war ehemaliger Häftling in den Gefangenenlagern Omarska und Manjača im Nordwesten Bosnien-Herzegowinas, seine Energie und Begeisterung inspirierten mich unendlich. Nach seiner Haft verbrachte er einige Zeit in London und kehrte 1996 als einer der ersten nach Prijedor zurück. Als Präsident des Gemeinderates von Prijedor und ehrenamtlicher Vizepräsident der Stiftung für Rückkehr und Wiederaufbau „Prijedor 98“ war er federführend an der Rückkehr von Nicht-Serben nach Prijedor beteiligt.
Im Juli 2003 war der Krieg bereits acht Jahre beendet. Ich war Maschinenbauingenieur ohne festen Arbeitsplatz, verheiratet und Vater einer einjährigen Tochter. Sead kam ins Büro der NGO „Youth Center“ in Sanski Most, wo ich mich für 12 Monate freiwillig für das USAID-Projekt engagiert hatte, und begeisterte mich an Ort und Stelle für die Projekte von „Prijedor ‚98“. Noch am selben Tag wurde ich Freiwilliger in der Stiftung, die wir einfach „Fondacija“ nannten. Auf der Agenda standen gemeinsame Projekte mit Bauern helfen Bauern – von der Verteilung humanitärer Hilfspakete über die Zuteilung von Nutztieren bis hin zum Bau von „BhB-Holzhäusern“ für Heimkehrer, deren Zuhause im Krieg zerstört oder verwüstet wurde.
Als erste Aufgaben erstellte ich eine Projektdokumentation in deutscher Sprache sowie ein Programm für den Besuch des BhB-Teams im August 2003. Seitdem besteht auf verschiedenste Weise und Intensität eine unzertrennliche Verbindung mit Bauern helfen Bauern, Doraja Eberle und ihrem Team. Ich bin davon überzeugt: Diese Verbindung wird eine dauerhafte bleiben.
Jede Begegnung war eine Mischung aus Dialog, Verständnis, Freundschaft und Respekt.
Doraja Eberle traf ich zum ersten Mal bei ihrem Besuch in Prijedor im August 2003. Ich war Teil der Begrüßungsdelegation und inoffizieller Dolmetscher. Alle folgenden Begegnungen waren eine Mischung aus gegenseitigem Dialog, Verständnis und Freundschaft, mit Respekt für die Gesprächspartner. Anstatt Probleme zu wälzen wurden Lösungen besprochen. Anstatt Ausreden zu suchen wurde gehandelt, und das nach hohen Idealen und Überzeugungen. Für mich ist das gelebte Philanthropie. 2005 folgte ich Frau Eberles Einladung nach Salzburg, wo ich auch ihr engstes Team persönlich kennenlernen durfte.
Die Initiativen von BhB haben unsere Region nachhaltig geprägt.
Im folgenden eine Liste der Schlüsselprojekte und Initiativen in der Region Prijedor, an denen Bauern helfen Bauern beteiligt war:
• Ernährungs- und Bekleidungs-Hilfskonvois für Rückkehrer in Zeltsiedlungen über das SFOR-Kontingent der österreichischen Armee in Bosnien und Herzegowina (2000 – 2002)
• Häuserbau von Standardfertighäusern „BhB“ für Rückkehrer (2001 – 2006)
• Beschaffung von Vieh, Saatgut und landwirtschaftlichen Maschinen für zurückkehrende Landwirte (2002 – 2006)
• Humanitäre Bekleidungs- und Lebensmittelpakete für sozial benachteiligte und behinderte Menschen und ihre Familien (2000 – 2019)
• Finanzielle und fachliche Unterstützung beim Wiederaufbau von zerstörten Häusern (2001 – 2019)
In den vergangenen Jahren gab es darüber hinaus kleinere Initiativen zur Beschaffung von Ausrüstung für die Feuerwehr oder auch Kindersportvereine. Neben der Unterstützung von Menschen mit Behinderung und deren Familien hat BhB zu zahlreichen multiethnischen Projekten im Kulturbereich beigetragen – so zum Beispiel zur Gründung des bosnischen Kulturzentrums in Prijedor, zur Organisation des ersten Weihnachtskonzerts in Prijedor für katholische Gläubige sowie das Musikbildungsprojekt „Musikkarawane“ für Kinder und Jugendliche.
Bauern helfen Bauern und Frau Doraja Eberle als „spiritus movens“ der Initiative haben Bosnien und Herzegowina nachhaltig geprägt. Ihr Leben lang, aber auch darüber hinaus, wollen wir ihren Visionen folgen. Gutes tun sowie Brücken des Dialogs und der Freundschaft schlagen, zwischen allen Menschen, über ethnische Grenzen hinweg, Nationen und Gemeinschaften. In Bosnien und Herzegowina selbst, aber auch gemeinsam mit Österreich.
Für ihre Verdienste für den Wiederaufbau der Gesellschaft in der Region Prijedor sowie in anderen Regionen von Bosnien und Herzegowina durfte ich Doraja Eberle im Juni 2018 die höchste Anerkennung der Stiftung für humanitäre Arbeit „Award humanum fundatio“ verleihen. Darüber hinaus erhielt sie für die Errichtung des bosnischen Kulturzentrums in Prijedor im Jahr 2019 die Ehrenmitgliedschaft „Botschafterin für Kultur“. Vielen herzlichen Dank für die aufrichtige Freundschaft in all diesen Jahren!
Sanel Jakupović
Geboren 1975 in Prijedor in Bosnien und Herzegowina, ist Prof. Dr. Sanel Jakupović Rektor der Paneuropäischen Universität „Apeiron“ Banja Luka (2021-2025) sowie Professor der Wirtschaftswissenschaften. Er ist darüber hinaus seit 2014 Mitglied des Vorstands der Stipendiats-Stiftung „Idriz Jakupović“ für Schüler und Studenten in Sanski Most sowie des Bosnischen Kulturzentrums in Prijedor (2019-2023). Seit 28 Jahren ist er an der Umsetzung von Programmen mit Bauern helfen Bauern in Bosnien und Herzegowina beteiligt.