Der Blick nach vorne
Schon mehr als eine Woche ist vergangen, seit ich aus Srebrenica zurück bin. Aber kein Tag, an dem ich nicht erinnert werde an diese Reise, an die vielen Begegnungen mit Menschen und ihren Schicksalen, und an die wunderbaren Begleiterinnen und Begleiter in diesen vier Tagen, die mir gezeigt haben, wie einfach, uneitel und unmittelbar Hilfe sein kann. Und auch kein Tag, an dem ich nicht jemandem erzähle von dem, was „Bauern helfen Bauern“ hier geleistet hat und Tag für Tag noch immer leistet.
Was auch immer ich in der Theorie wusste über Srebrenica, über den Krieg, über die grausamen Geschehnisse im Juli 1995 – alles wird ganz klein angesichts der Realität. Die Begegnung mit den Menschen, mit ihrer Trauer, aber auch gleichzeitig mit ihrem unerhörten Mut, mit dem sie versuchen, in ihrer Heimat wieder Fuss zu fassen. Ihre Hoffnung und ihre Dankbarkeit für jedes Wort, jede Geste der Freundschaft und Zuneigung, jeden Ausdruck von Respekt und Bewunderung.
Freitag, 12. April. Gerade hat auf dem Schulplatz in Srebrenica eine Gedenkfeier geendet für die Opfer des Granatenangriffs vom 12. April 1993. Viele Schulkinder starben damals. Sie spielten gerade Fussball. Die Familien haben Blumen an den Zaun gesteckt.
Eine grosse Trauer liegt über dem Platz. In der Schule proben die Kinder des Superar-Chors für ein Konzert. Mit grossem Engagement, ernsthaft und konzentriert. Richtig professionell. „Das Leben geht weiter“ sagt Namir – und er hat Recht, auch wenn der Blick zurück in die Erinnerung für viele dieser Menschen für immer mehr Bedeutung haben wird als jener nach vorne.
„Bauern helfen Bauern“ hilft dass die Menschen in Srebrenica wieder einen Blick nach vorne wagen können. Ich bin stolz dazu etwas beitragen zu dürfen und Teil dieser wunderbaren Initiative zu sein.
Danke für alles an Doraja, Sophie, Landolf, Susi, Namir und alle anderen. Es war bestimmt nicht meine letzte Reise nach Srebrenica.
Christine Rhomberg